Veröffentlicht am:

Array
  • Forschende des Know-Centers und des Instituts für Weltraumforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickeln ein Vorhersageinstrument, das die Stärke von Sonnenstürmen bestimmt.
  • Bessere Prognosen könnten einen Blackout durch einen massiven Sonnensturm verhindern.
  • Machine Learning bildet die perfekte Grundlage für die effiziente Analyse und Nutzung von Weltraumdaten.

Derzeit wird, aufgrund der voranschreitenden Energiewende, häufig vor einem möglichen europaweiten Stromausfall gewarnt. Weniger Beachtung findet dagegen die Gefahr, die aus dem All droht: Sonnenstürme sind zwar meist so schwach, dass die Atmosphäre und das Magnetfeld der Erde den Planeten ausreichend davor schützen, doch laut Expertinnen und Experten könnte uns jederzeit ein Sonnensturm treffen und gravierende Auswirkungen auf Stromnetze, Funknetze und Satelliten haben. Rund zehn Prozent aller Satelliten könnten während eines solchen Ereignisses ausfallen. Das würde Probleme in Bereichen verursachen, in denen eine präzise Ortung von Nöten ist, wie im Schiffs- und Flugverkehr. Auch flächendeckende Stromausfälle durch erhöhte Spannungen der Transformatoren sowie Schäden an Unterseekabeln, die zu länderweiten Internet-Ausfällen führen, sind denkbar.

Weltraumwetter-Forschende können zwar beobachten, ob ein Sonnensturm Richtung Erde unterwegs ist, aber schwer abschätzen, wie massiv der Sturm ausfallen wird, sobald er die Erde trifft. Um hier Abhilfe zu schaffen, haben Datenexpertinnen und -experten des Know-Centers und des Instituts für Weltraumforschung ein Vorhersagetool auf Basis von Künstlicher Intelligenz entwickelt, mit dem die Stärke von Sonnenstürmen besser prognostiziert werden kann. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Rahmen einer Studie im etablierten Journal „Space Weather“ veröffentlicht. Sie sind Teil des EU-Projektes „Europlanet 2024 – Research Infrastructure“, welches das das Ziel hat, die europäische Forschung auf dem Gebiet der planetaren Wissenschaften stärker zu vernetzen und voranzutreiben.

Magnetfeld bestimmt die Stärke von Sonnenstürmen

Die Sonnenaktivität schwankt im Rhythmus von etwa elf Jahren zwischen ruhigen und besonders aktiven Phasen. Derzeit befinden wir uns in einer aktiven Phase, deren Maximum für 2025 erwartet wird. Ein geomagnetischer Sturm entsteht durch die Wechselwirkung des Erdmagnetfeldes mit Sonnenstürmen. Grob vergleichbar ist dies mit Vulkanausbrüchen auf der Erde. Statt Lava werden jedoch Plasmawolken ins All befördert. Sonnenstürme können im Extremfall in weniger als einem Tag die Erde erreichen. Die Fähigkeit von Sonnenstürmen, extreme geomagnetische Stürme zu verursachen, hängt im Wesentlichen von der Orientierung ihres Magnetfeldes ab, das in der Fachsprache als „Bz-Magnetfeldkomponente“ bezeichnet wird. Dessen relative Orientierung zum Erdmagnetfeld entscheidet, wieviel Energie auf das Erdmagnetfeld übertragen wird. Je stärker die Bz-Komponente nach Süden zeigt, desto größer ist die Gefahr eines massiven geomagnetischen Sturms. Bislang kann die Bz-Magnetfeldkomponente aber nicht mit ausreichender Vorwarnzeit vor dem Eintreffen des Sonnensturms auf der Erde vorhergesagt werden.

Maschinelles Lernen sorgt für bessere Prognose

„Es dauert nur ein paar Minuten bis Daten, die von Sonden direkt im Sonnenwind gemessen wurden, zur Erde übermittelt werden. Wir haben uns zunächst angesehen, ob Informationen über die ersten Stunden eines Sonnensturms überhaupt ausreichend sind, um seine Stärke vorhersagen zu können“, erklärt Hannah Rüdisser vom Know-Center.

Auf Basis von maschinellem Lernen haben die Forschenden dann ein Programm entwickelt, um die Bz-Magnetfeldkomponente vorherzusagen. Das Programm wurde mit Daten von 348 unterschiedlichen Sonnenstürmen trainiert und getestet, die von den Raumsonden Wind, STEREO-A und STEREO-B seit dem Jahr 2007 gesammelt wurden. Um das Vorhersagewerkzeug in einem experimentellen Echtzeitmodus zu testen, simuliert das Team wie Sonnenstürme von Raumsonden gemessen werden und bewertet wie die kontinuierliche Einspeisung neuer Informationen die Vorhersagen verbessert.

„Unser Prognosewerkzeug kann die Bz-Komponente recht gut vorhersagen. Besonders gut funktioniert es, wenn wir Daten der ersten vier Stunden des magnetischen Kerns des Sonnensturms heranziehen. Durch neue Weltraummissionen werden wir in den kommenden Jahren noch mehr Daten erhalten, was die Genauigkeit der Vorhersagen weiter erhöht. Unser Ansatz könnte damit zu einer verbesserten Weltraumwettervorhersage führen und im Falle eines massiven Sonnensturms, könnten betroffene Bereiche künftig frühzeitig gewarnt und größere Schäden verhindert werden“, sagt Rüdisser.

Im nächsten Schritt wollen die Forschenden Sonnenstürme mithilfe von KI-Methoden automatisch im Sonnenwind entdecken. Diese Automatisierung ist nötig, um die Methode zur Bz Vorhersage auch in Echtzeit anwenden zu können, ohne dass ein menschlicher Benutzer die Sonnenstürme laufend identifizieren muss.

Innovation für die Weltraumforschung

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zur Analyse und Klassifizierung von Planetendatensätzen ist noch relativ neu, gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. Maschinelles Lernen (ML) ermöglicht Algorithmen zu trainieren, um riesige Datenmengen zu analysieren und daraus Vorhersagen und neue Lösungen abzuleiten. Potenzielle Anwendungen von ML in den Planetenwissenschaft sind im letzten Jahrzehnt explodiert, aber maßgeschneiderte Tools für das Feld sind immer noch selten.

„Das Europäische Forschungsnetzwerk ‚Europlanet 2024‘ beherbergt einen großen Datenschatz, der aus Weltraummissionen, Simulationen und Laborexperimenten stammt. Unser Ziel ist, Wissen, das in diesen Daten steckt, hervorzuholen und nutzbar zu machen. Dafür wollen wir eine Reihe von ML-Tools entwickeln, die Forschende der Planetenwissenschaften bei in ihrer Arbeit unterstützen. Damit können wir eine breitere Nutzung von ML-Technologien in der datengesteuerten Weltraumforschung fördern“, so Rüdisser.

Weitere Informationen:

Studie: Space Weather. Machine Learning for Predicting the Bz Magnetic Field Component From Upstream in Situ Observations of Solar Coronal Mass Ejections. https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2021SW002859

Europlanet 2024 IR: https://www.europlanet-society.org/europlanet-2024-ri/machine-learning/

Das Know Center ist ein führendes europäisches Innovations- und Spitzenforschungszentrum für vertrauenswürdige KI und Data Science. Mit State-of-the-Art & Beyond Technologien, Spitzenforschung im eigenen Haus und hochinnovativen Projekten mit Kunden aus Industrie, Energie und Health Care stellt der Grazer Innovationshub, welcher auch ein COMET-Kompetenzzentrum ist, die Transformation der neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Data Science und KI in konkrete Wettbewerbsvorteile für Unternehmen sicher. Für Wissenschaft und Gesellschaft liefert das Unternehmen die technologische Basis für die Lösung der großen Zukunftsfragen. Mit seinen wegweisenden Innovationen trägt das Know Center dazu bei, dass Europa die Technologie- und Datensouveränität zurückgewinnt und die strategische Hoheit über relevante Daten bei gleichzeitiger Wahrung eines offenen und innovationsgetriebenen Marktes garantieren kann.

Presseverteiler Anmeldung

Sie möchten unsere aktuellen Medienmitteilungen automatisch per E-Mail erhalten? Dann tragen Sie einfach Ihre Daten in unseren Presseverteiler ein: