Eine im renommierten Open-Access-Journal EPJ Data Science veröffentlichte Studie weist darauf hin, dass Musikempfehlungen für Liebhaber von Nicht-Mainstream Musik wie zum Beispiel Hardrock und Ambient möglicherweise weniger zutreffend sind als jene für Hörerinnen und Hörern von Mainstream-Musik wie zum Beispiel Pop.

Die Auswahl an Musik im Netz ist riesig. Für Nutzerinnen und Nutzer sind daher Empfehlungssysteme, die ihnen helfen umfangreiche Musiksammlungen zu durchsuchen, zu filtern und zu sortieren, unentbehrlich. Die bisherige Qualität der Empfehlungen lässt aber für Fans von Nicht-Mainstream-Musik einiges zu wünschen übrig.

Ein Team von Forschenden des Know-Centers, der Technischen Universität Graz, der Johannes Kepler Universität Linz, der Universität Innsbruck und der Universität Utrecht (Niederlande) hat die Treffsicherheit von Algorithmus-basierten Musikempfehlungen für Hörerinnen und Hörer von Mainstream- und Nicht-Mainstream-Musik untersucht. Dafür wurde ein Datensatz des bisherigen Hörverhaltens von 4.148 Nutzerinnen und Nutzern der Musik-Streaming-Plattform Last.fm verwendet, von denen die eine Hälfte vorwiegend Nicht-Mainstream- und die andere Hälfte vorwiegend Mainstream-Musik hörte.

Algorithmus klassifiziert Musikhörer

Die Hörerinnen und Hörer von Nicht-Mainstream-Musik wurden durch einen Algorithmus anhand der Charakteristika der Musik, die sie am häufigsten hörten, in folgende Kategorien eingeteilt: Hörerinnen und Hörer von Musikgenres, die ausschließlich mit akustischen Instrumenten gespielt wird (z.B. Folk), Hörerinnen und Hörer von energiegeladener Musik wie Hard Rock und Hip-Hop, Hörerinnen und Hörer von Musik mit akustischen Instrumenten aber ohne Gesang (z.B. Ambient) und Hörerinnen und Hörer von energiegeladener Musik ohne Gesang (z.B. Electronica).

Die Forschenden verglichen die Hörgewohnheiten der einzelnen Gruppen miteinander und ermittelten, welche Personen am häufigsten Musik außerhalb ihrer bevorzugten Genres hörten und wie breit gestreut die gehörten Musikgenres innerhalb jeder Gruppe waren. Wer hauptsächlich Musik wie Ambient hörte, wies am ehesten eine Bereitschaft auf, sich auch auf Musik einzulassen, die eigentlich von Hardrock-, Folk- oder Electronica-Fans bevorzugt wurde. Personen mit einer Vorliebe für energiegeladene Musik waren am wenigsten geneigt, Musik zu hören, die von der Folk-, Electronica- oder Ambient-Anhängerschaft bevorzugt wurde. Sie hörten stattdessen die größte Vielfalt an Genres, zum Beispiel Hard Rock, Punk, Singer/Songwriter und Hip-Hop.

„Die Offenheit von Hörerinnen und Hörern für Musik, abseits der eigenen Hörpräferenzen, wirkt sich positiv auf die Qualität von Empfehlungen aus. Der sogenannte ‚Blick über den Tellerrand‘ zahlt sich also auch beim Musikhören aus.“

Dominik Kowald, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Leiter des Forschungsbereichs Social Computing am Know-Center.

Verzerrte Musikempfehlungsalgorithmen

Anhand des Computermodells prognostizierten die Forschenden, wie wahrscheinlich es ist, dass den verschiedenen Gruppen Nicht-Mainstream-Musikhörender die von den vier gängigen Musikempfehlungsalgorithmen generierten Empfehlungen tatsächlich gefielen. Das Ergebnis: Die Empfehlungen für Liebhaber überwiegend energiegeladener Musik schienen am wenigsten zutreffend zu sein, während sie bei Ambient-Hörenden die höchste Treffsicherheit erreichten.

Die Autorinnen und Autoren verweisen auf den potentiellen Nutzen ihrer Ergebnisse für die Entwicklung von Musikempfehlungssystemen, um bessere Empfehlungen für Musikbegeisterte zu generieren, die sich abseits des Mainstreams bewegen. Sie schränken aber ein, dass ihre Analysen auf einer Stichprobe von Nutzerinnen und Nutzern des Online-Musikdienstes Last.fm beruhen und die Ergebnisse nicht unbedingt repäsentativ sind für alle Last.fm-Nutzerinnen und Nutzer oder für Personen, die andere Musik-Streaming-Plattformen verwenden.

 

Dominik KOWALD, Peter MUELLNER, Eva ZANGERLE, Christine BAUER, Markus SCHEDL, Elisabeth LEX. Support the Underground: Characteristics of Beyond-Mainstream Music Listeners. EPJ Data Science (2021)
https://doi.org/10.1140/epjds/s13688-021-00268-9